Welch Licht leuchtet dort
Treu beratner Verträge Runen
Es ragt die Burg, von Riesen gebaut
Wiener Philharmoniker, Sir Georg Solti
Helen Watts – 1. Norn
Grace Hoffmann – 2. Norn
Anita Välkki – 3. Norn
1. Norn:
Welch Licht leuchtet dort?
2. Norn:
Dämmert der Tag schon auf?
3. Norn:
Loges Heer lodert feurig um den Fels.
Noch ist’s Nacht.
Was spinnen und singen wir nicht?
2. Norn:
Wollen wir spinnen und singen,
woran spannst du das Seil?
1. Norn:
So gut und schlimm es geh’,
schling’ ich das Seil und singe.
An der Weltesche wob ich einst,
da groß und stark dem Stamm entgrünte
weihlicher Äste Wald.
Im kühlen Schatten rauscht’ ein Quell,
Weisheit raunend rann sein Gewell’;
da sang ich heiligen Sinn.
Ein kühner Gott
trat zum Trunk an den Quell;
seiner Augen eines
zahlt’ er als ewigen Zoll.
Von der Weltesche
brach da Wotan einen Ast;
eines Speeres Schaft
entschnitt der Starke dem Stamm.
In langer Zeiten Lauf
zehrte die Wunde den Wald;
falb fielen die Blätter,
dürr darbte der Baum,
traurig versiegte des Quelles Trank:
trüben Sinnes ward mein Gesang.
Doch, web’ ich heut
an der Weltesche nicht mehr,
muß mir die Tanne
taugen zu fesseln das Seil:
singe, Schwester, dir werf’ ich’s zu.
Weißt du, wie das wird?
2. Norn:
Treu beratner Verträge Runen
schnitt Wotan in des Speeres Schaft:
den hielt er als Haft der Welt.
Ein kühner Held
zerhieb im Kampfe den Speer;
in Trümmer sprang
der Verträge heiliger Haft.
Da hieß Wotan Walhalls Helden
der Weltesche welkes Geäst
mit dem Stamm in Stücke zu fällen.
Die Esche sank,
ewig versiegte der Quell!
Fessle ich heut
an den scharfen Fels das Seil:
singe, Schwester, dir werf’ ich’s zu.
Weißt du, wie das wird?
3. Norn:
Es ragt die Burg, von Riesen gebaut:
mit der Götter und Helden heiliger Sippe
sitzt dort Wotan im Saal.
Gehau’ner Scheite hohe Schicht
ragt zuhauf rings um die Halle:
die Weltesche war dies einst!
Brennt das Holz
heilig brünstig und hell,
sengt die Glut
sehrend den glänzenden Saal:
der ewigen Götter Ende
dämmert ewig da auf.
Wisset ihr noch,
so windet von neuem das Seil;
von Norden wieder werf’ ich’s dir nach.
Spinne, Schwester, und singe!
1. Norn:
Dämmert der Tag?
Oder leuchtet die Lohe?
Getrübt trügt sich mein Blick;
nicht hell eracht’ ich das heilig Alte,
da Loge einst entbrannte in lichter Glut.
Weißt du, was aus ihm ward?
2. Norn:
Durch des Speeres Zauber
zähmte ihn Wotan;
Räte raunt’ er dem Gott.
An des Schaftes Runen,
frei sich zu raten,
nagte zehrend sein Zahn:
da, mit des Speeres
zwingender Spitze
bannte ihn Wotan,
Brünnhildes Fels zu umbrennen.
Weißt du, was aus ihm wird?
3. Norn:
Des zerschlagnen Speeres
stechende Splitter
taucht’ einst Wotan
dem Brünstigen tief in die Brust:
zehrender Brand zündet da auf;
den wirft der Gott in der Weltesche
zuhauf geschichtete Scheite.
Wollt ihr wissen,
wann das wird?
Schwinget, Schwestern, das Seil!
1. Norn:
Die Nacht weicht;
nichts mehr gewahr’ ich:
des Seiles Fäden find’ ich nicht mehr;
verflochten ist das Geflecht.
Ein wüstes Gesicht wirrt mir wütend den Sinn.
Das Rheingold raubte Alberich einst.
Weißt du, was aus ihm ward?
2. Norn:
Des Steines Schärfe schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb’.
Aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.
Weißt du, was daraus wird?
3. Norn:
Zu locker das Seil, mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt!
Es riß!
2. Norn:
Es riß!
1. Norn:
Es riß!
Die drei Nornen
:
Zu End’ ewiges Wissen!
Der Welt melden Weise nichts mehr.
3. Norn:
Hinab!
2. Norn:
Zur Mutter!
1. Norn:
Hinab!